Die Aufarbeitung des Kentler Experiments legt ganz offen dar, wie die Haltung Helmut Kentlers war und wie das System der Heimreform damals unter dem Deckmantel der Wissenschaft funktionierte und Missbrauch erst möglich machte. Die Missstände im damaligen Berliner Kinder- und Jugendhilfesystem wurden im Ergebnisbericht über Helmut Kentlers Wirken mehr als deutlich. Doch was wird nun aus diesem Bericht? Was passiert mit den Ergebnissen? Welche Konsequenzen werden daraus gezogen? Fragen, die bisher scheinbar unbeantwortet bleiben.
Die Aufarbeitung des Experiments wurde durch den Senat selbst in Auftrag gegeben und am 23.02.2024 gemeinsam mit Forschungsteam bestehend aus Meike Sophia Baader, Nastassia Laila Böttcher, Carolin Ehlke, Carolin Oppermann, Julia Schröder und Wolfgang Schröer der Universität Hildesheim veröffentlicht und vorgestellt.
In der Pressemitteilung vom Tag der Veröffentlichung heißt es:
Katharina Günther-Wünsch, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie: „Der Ergebnisbericht ist ein weiterer Schritt in der notwendigen Aufarbeitung, denn das Leid der Betroffenen ist unermesslich und wirkt ein Leben lang. Die Forschung hat einen Beitrag dazu geleistet, die Mechanismen zu verstehen, die solchen Missbrauch ermöglichten. Die Erkenntnisse aus der Forschung geben uns die Möglichkeit, die Kinder- und Jugendhilfe institutionell zu sensibilisieren und kontinuierlich kritisch zu überprüfen.“
Die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) und die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend- und Familienbehörden (AGJF) haben das zweite Aufarbeitungsprojekt der Universität Hildesheim und des Landes Berlins unterstützt. Die nun vorliegenden Ergebnisse des insgesamt dritten Aufarbeitungsprojektes des Landes Berlins werden durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in die JFMK und AGJF eingebracht, um eine Fortsetzung der Aufarbeitung in anderen Bundesländern zu empfehlen.
https://www.berlin.de/sen/bjf/service/presse/pressearchiv-2024/pressemitteilung.1420259.php
Leider können wir in dieser Aussage noch keine klaren Konsequenzen erkennen, die aus der Aufarbeitung entstehen, welche Maßnahmen und nächsten Schritte daraus resultieren könnten und sollten.
Am 11.04.2024 fand auf der 36. Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie eine Anhörung zum Thema Kinderschutz – Herausforderungen und Chancen des Berliner Systems statt. Ein Fazit davon war, dass bei der Überprüfung der Qualität der freien und öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe unbedingt auch die Kinder und Jugendlichen partizipiert werden müssen. Da stellt sich uns die Frage, warum die Ergebnisbericht über Helmut Kentlers Wirken bei dieser Anhörung mit keiner Silbe Erwähnung fand? Der Bericht und die darin beschriebenen Missstände und Herausforderungen bieten unserer Ansicht nach eine ideale Grundlage um Regelungen, Maßnahmen und Systeme zu entwickeln, die dafür sorgen, dass solche Fälle nie wieder stattfinden.
Wir wollen dennoch festhalten, dass es uns nicht darum geht Schuldige an den Pranger zu stellen, sondern vielmehr darum zu erarbeiten, wie wir und die Kinder- und Jugendhilfe im Allgemeinen mit den Erkenntnissen umgehen, welche Maßnahmen wir gemeinsam entwickeln können.
Unsere Forderungen an den Senat sind daher folgende:
Es muss Verantwortung übernommen und Kontakt mit den Betroffenen aufgenommen worden. Außerdem müssen Hilfesysteme für die Betroffenen geschaffen werden um eine Auf- und Verarbeitung der Geschehnisse überhaupt erst möglich zu machen. Des Weiteren braucht es dringend klare Systeme und Strukturen, die im Rahmen der Weiterentwicklung des Kinderschutzes in öffentlicher und freier Trägerschaft, die so etwas nicht mehr möglich machen.
Zeitnahe Einleitungen sind jetzt zwingend notwendig, denn auch die Betroffenen werden Reaktionen und Handeln erwarten. Wichtige erste Schritte sind dabei die Transparenz im folgenden Handeln und die Einleitung erster Maßnahmen in Richtung Gesellschaft.