Das Kentler-Experiment war ein skandalöser Fall in Deutschland, der in den später 1960er Jahren begann und bis in die 2000er Jahre reichte. Der Pädagoge Helmut Kentler führte ein Experiment durch, bei dem er Pflegestellen bei Personen eichrichtete, die u. a. wegen sexueller Kontakte mit Minderjährigen vorbestraft waren. Seine These: Nur Pädophile könnten schwer erziehbare Kinder lieben.
Das Projekt startete mit 3 Männern, die bereits wegen Pädokriminalität vorbestraft waren. Kentler: „Mir war klar, dass die drei Männer vor allem darum so viel für ‚ihren‘ Jungen taten, weil sie mit ihm ein sexuelles Verhältnis hatten.“
Das Kentler-Experiment: Auch Helmut Kentler selbst missbrauchte Kinder
Der Berliner Zwischenbericht der Universität Hildesheim zum Wirken des 2008 verstorbenen Sexualforschers Helmut Kentler in der Berliner Jugendhilfe hat bestätigt, dass dieser selbst Kinder sexuell missbraucht hat. Kentler hatte ab Ende der 1960er Jahre dem Jugendamt Berlin anvertraute Jungen an ihm bekannte Päderasten vermittelt.
Im Zuge der Berichtserstellung wurden auch Betroffene interviewt und offenbarten den Missbrauch durch Kentler selbst:
„Die betroffene Person berichtet, dass sie und die anderen jungen Menschen während dieser Zeit bei Helmut Kentler massiven Übergriffen und sexualisierter Gewalt durch Helmut Kentler selbst ausgesetzt waren. Insbesondere junge Menschen im Alter von 10 bis 14 Jahren bezeichnete Helmut Kentler als ‚seine Favoriten‘.“
Zwischenbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“
Der Zwischenbericht stellt fest, dass das Landesjugendamt Berlin als „ein zentraler Ort ausgemacht“ werden kann, der als Infrastruktur sexualisierte Übergriffe ermöglichte. Das pädosexuelle Netzwerk reiche aber deutlich über Berlin „bis in verschiedene Regionen West-Deutschlands hinaus und konnte an unterschiedliche Infrastrukturen der Kinder- und Jugendhilfe, Hochschulen oder der evangelischen Kirche anknüpfen und sich durch diese auch öffentlich normalisieren oder gegenüber Anfragen immunisieren.“
Jahrzehntelang blieb das Kentler-Experiment weitgehend unbeachtet, bis es durch Recherchen und Enthüllungen in den 2010er Jahren wieder ins Licht gerückt wurde. Es wurde enthüllt, dass nicht nur die Behörden davon wussten, sondern auch dass es Fälle von Missbrauch und schweren psychischen Schäden bei den beteiligten Kindern gab.
Der Skandal führte zu Untersuchungen und Debatten über die Verantwortung der Behörden, den Missbrauch von Kindern und die ethischen Grenzen wissenschaftlicher Experimente. Es unterstreicht die Notwendigkeit von strengen ethischen Richtlinien und Überwachungsmechanismen in der Kinder- und Jugendhilfe und im Umgang mit schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen.
In diesem Jahr wurde nun der Ergebnisbericht zu „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“ veröffentlicht. Leider fehlt es bisher an einer aufrichtigen Stellungnahme und Maßnahmen, wie eine Aufarbeitung in diesem Fall erfolgreich gelingen kann. Dazu werden wir aber an anderer Stelle noch einmal kommen.